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Was ist eine Ökobilanz? I Wie wird die Ökobilanz genutzt, um zu einer nachhaltigen Bioökonomie beizutragen? I Was sind die Grenzen?

 

Was ist eine Ökobilanz?

Die Ökobilanzierung (kurz: Ökobilanz, alternativ auch Lebenszyklusanalyse oder engl. Life Cycle Assessment, LCA) analysiert Stoffströme und kann die damit verbundenen Umweltbelastungen von Produkten oder Dienstleistungen anhand von Produktsystemen systematisch bewerten. Die Ökobilanz in dieser Form schließt soziale und ökonomische Aspekte nicht mit ein, dafür werden eigene Ansätze verwendet (engl. social LCA, socio-economic LCA). Eine Lebenszyklusanalyse kann von der Entnahme der für die Produktherstellung benötigten Ressourcen aus der Umwelt bis zu hin zur Entsorgung eines Produktes nach seiner Nutzung alle Phasen des Lebenszyklus eines Produktes umfassen. Je nach Anwendungsfall kann die Systemgrenze die Phasen „von der Wiege bis zum Werkstor“ (engl. cradle-to-gate) oder „von der Wiege bis zur Bahre“ (engl. cradle-to-grave) miteinschließen.  Am häufigsten wird das Ergebnis einer Ökobilanz verwendet, um die Umweltwirkungen verschiedener, aber funktional identischer Produkte zu vergleichen. Im Falle von biobasierten Produkten wäre dies zum Beispiel der Vergleich mit einem fossilen Produkt. Referenz ist die funktionelle Einheit, die als quantifizierter Nutzen eines Produkts definiert ist.

Die Erstellung einer Ökobilanz folgt einer strukturierten und international genormten Methodik, die in den ISO-Normen 14040:2006 und 14044:2006 (ISO 2006a; b) festgehalten ist. Als Phasen der Ökobilanzierung, die für eine vollständige Analyse durchlaufen werden müssen, sind dort 1) Festlegung von Ziel- und Untersuchungsrahmen, 2) Sachbilanz, 3) Wirkungsabschätzung und 4) Auswertung definiert.

Zur Bewertung von Umweltauswirkungen im Rahmen der Wirkungsabschätzung existieren zahlreiche verschiedene Methoden für spezifische Umweltfolgen auf verschiedenen Ebenen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ressourcen-Fußabdrücke für Energie, Land, Material und Wasser ausreichen, um über 80 % der Varianz der gesamten Umweltauswirkungen eines Produkts abzudecken [1]. Ergänzt um den Klima-Fußabdruck, der häufig vereinfacht als CO2-Fußabruck (engl. Carbon Footprint) bezeichnet wird, ergibt sich ein Fußabdruck-Set, das für eine richtungssichere Bewertung von Umweltauswirkungen geeignet ist. Für den Energie-, den Flächen- und den Klima-Fußabdruck werden im Projekt Standard-Methoden [2]verwendet, wobei letzterer auf die Wirkungskategorie „Globale Erwärmung“ (ISO DIN EN ISO 14067) beschränkt ist. Der Material- und der Wasser-Fußabdruck basieren auf Methoden, die an der Universität Kassel entwickelt wurden: Der Product Material Footprint (PMF) nach Mostert & Bringezu 2019 [3] bewertet potenzielle Umweltauswirkungen von Produkten auf der Grundlage ihres lebenszyklusweiten Primärmaterialaufwands und Rohstoffeinsatzes, während der Water Scarity Footprint (WSF) nach Schomberg et al. 2021 [4] ein Satz von Indikatoren zur Bewertung des quantitativen und qualitativen Wasserverbrauchs entlang der Lieferkette eines Produkts unter Berücksichtigung der regionalen Wasserverfügbarkeit ist.

Wie wird die Ökobilanz genutzt, um zu einer nachhaltigen Bioökonomie beizutragen?

Die Ökobilanz dient dazu, Produkte zu vergleichen und die ökologischen Folgen ihrer Nutzung zu bewerten. Auf diese Weise kann das Potenzial von Produkten aus Biomasse, Produkte aus nicht erneuerbaren Quellen zu substituieren, beschrieben werden. So haben beispielsweise Verkerk et al. (2021) 64 Studien ausgewertet und festgestellt, dass "die Verwendung von Holz und holzbasierten Produkten im Allgemeinen mit geringeren fossilen und prozessbedingten Emissionen verbunden ist, wenn man sie mit funktional gleichwertigen Produkten ohne Holz vergleicht" [5]. Drei Viertel der untersuchten Studien konzentrierten sich auf den Bausektor und die meisten beziehen sich auf Produkte in Nordamerika und Europa. In diesem Beispiel ist allerdings nur der Klima-Fußabdruck untersucht wurden, für einen in Bezug auf Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit aussagekräftigeren Vergleich sollten auch die Ressourcen-Fußabdrücke betrachtet werden.

Die Ökobilanz kann auch eingesetzt werden, um die absolute Nachhaltigkeit von Produkten zu bewerten [6]. Der PMF verwendet als Wirkungsindikator den biotischen Rohstoffeinsatz (engl. Biotic Raw Material Input RMI biotic) und den biotische Primärmaterialbedarf (eng. Biotic Total Material Requirement TMR biotic). Der RMI biotic kann z. B. verwendet werden, um die für biobasierte Produkte verwendete Biomasse ins Verhältnis zu der nachhaltig nachwachsenden Menge an Biomasse zu setzen, die durch den jährlichen Nettozuwachs (engl. Net Annual Increment) bestimmt wird.  Der TMR biotic kann auf die Nettoprimärproduktion von Biomasse (engl. Net Primary Production NPP) bezogen werden.

Der produktbezogene Kontext, in dem die Ökobilanz klassischerweise zum Einsatz kommt, wird auch als Mikroebene bezeichnet. Der Bezug auf übergeordnete Stoffströme, wie z. B. den gesamten Holzverbrauch in Deutschland, wird dagegen als Makroebene bezeichnet. Ergebnisse aus der Mikroebene können aber Eingang in Analysen auf der Makroebene finden: Die Mikroebene liefert granulare Informationen über die Treiber von Umweltwirkungen (und damit auch Ansatzpunkte für Optimierungen) oder auch Entscheidungsgrundlagen für produktpolitische Maßnahmen, die in makroökonomische System miteinfließen können.

Wie verschiedene Studien zeigen, ist es inzwischen durchaus üblich, die Methode der Ökobilanz auch für die Bewertung übergeordneter Stoffströme einzusetzen, so zum Beispiel in einer vom Umweltbundesamt beauftragten Studie zu grafischen Papieren aus dem Jahr 2000. In neueren Studien werden zunehmend Aspekte wie die Kaskadennutzung biogener Rohstoffe [7], [8]oder die Identifizierung der primären Nutzungspfade von Biomasse im Kontext nationaler Umweltziele [8] untersucht.

Was sind die Grenzen?

Trotz ihrer Vielseitigkeit und ihres breiten Anwendungsspektrums kann die Ökobilanz nicht alle Arten von Umweltauswirkungen vollständig abdecken. Gleichzeitig bedeutet die Flexibilität dieses Instruments, dass die Ergebnisse von der Definition der betrachteten Fallstudien abhängen, immer im Lichte der jeweiligen Fragestellung interpretiert werden müssen und Erkenntnisse nur schwer zu verallgemeinern sind. Dies ermöglicht spezifische Fallstudienanalysen mit einem hohen Detailgrad, auf der Makroebene kann dieser Detailgrad jedoch eine Einschränkung darstellen. Hier sind grobe Vereinfachungen notwendig, die der eigentlichen Stärke der Ökobilanz entgegenwirken. Die Methode ist für die Makroebene zu granular und kann daher kaum oder nur mit großem Aufwand oder extremer Vereinfachung sinnvoll angewendet werden. Hervorzuheben ist auch, dass die Standardisierung der Ökobilanzierung trotz aller Bemühungen begrenzt ist, d. h. der Untersuchungsrahmen, die verwendeten ökobilanziellen Datenbanken und die gewählten Bewertungsmethoden müssen fallstudienspezifisch immer wieder neu festgelegt und begründbar erläutert werden.

 


Notizen und Referenzen

  1. Steinmann et al. (2016). How Many Environmental Impact Indicators Are Needed in the Evaluation of Product Life Cycles? Environ. Sci. Technol. doi: 10.1021/acs.est.5b05179
  2. Schomberg et al. (2022). Spatially explicit life cycle assessments reveal hotspots of environmental impacts from renewable electricity generation. Com. Earth Environ. doi: 10.1038/s43247-022-00521-7
  3. Mostert and Bringezu (2019). Measuring Product Material Footprint as New Life Cycle Impact Assessment Method: Indicators and Abiotic Characterization Factors. Resourc. doi: 10.3390/resources8020061
  4. Schomberg et al. (2021). Extended life cycle assessment reveals the spatially-explicit water scarcity footprint of a lithium-ion battery storage.  Com. Earth Environ. doi: 10.1038/s43247-020-00080-9
  5. Verkerk et al. (2021). The role of forest products in the global bioeconomy – Enabling substitution by wood-based products and contributing to the Sustainable Development Goals FAO. doi: 10.4060/cb7274en.
  6. Mostert and Bringezu (2022). Biotic Part of the Product Material Footprint: Comparison of Indicators Regarding Their Interpretation and Applicability. Resourc. doi: 10.3390/resources11060056
  7. Fehrenbach et al. (2017). Biomassekaskaden: Mehr Ressourceneffizienz durch stoffliche Kaskadennutzung von Biomasse – von der Theorie zur Praxis. UBA. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/biomassekaskaden-mehr-ressourceneffizienz-durch
  8. Mehr et al. (2018). Environmentally optimal wood use in Switzerland - Investigating the relevance of material cascades. Resourc., Conservat. & Recycl. doi: 10.1016/j.resconrec.2017.12.026